• Jannis Plastargias, in 1991 vijftien jaar oud, hield indertijd een dagboek bij.
14. Juni 1991
Ich bin noch fünfzehn (ui, noch ganze drei Wochen!) und nicht normal. Nee, das ist wirklich wahr. Ich kann gar nicht normal sein. Nicht dass ich wüsste, was normal zu sein bedeutet. Ich weiß nur, dass ich es offensichtlich nicht bin. Vor allem, wenn ich mit meinen Freunden zusammen bin und mit ihnen rede. Worüber? Über Mädels.
Franks Traumfrau heißt Anna. Die von Matthias Elsa. Die von Christoph Nicole. Und meine Tom. Tja, Tom. Ich weiß, das hört sich nicht gerade weiblich an. Das liegt daran, dass SIE halt ein ER ist. Wie gesagt, liebes Tagebuch: Ich bin nicht normal.
Tom. Er ist so niedlich. Seine braunen, wuscheligen Locken. Ich LIEBE Locken! Er macht mich so wahnsinnig. Seine glasklaren, grünen Augen. Seine Anwesenheit macht mich nervös. Er ist jetzt in der Klasse von Matthias, kommt aus München und hat so einen furchtbar süßen Akzent. Schon sein Servus ist so schrecklich goldig. Ich möchte ihm 20-mal am Tag hallo sagen. Mir schlottern die Knie. Propellerflugzeuge veranstalten ein Wettrennen in meinem Magen und schütteln meine sämtlichen Eingeweide durcheinander. Wenn man ein Ultraschallbild von meinem Magen machen würde, wenn er neben mir steht, würde ich als Phänomen in die Geschichte der Medizin eingehen.
Wieso gebe ich diesen heterosexuellen Arschlöchern recht, wenn sie Leute wie mich "nicht normal" nennen? Ich weiß ja, dass ich normal bin. Auch wenn ich es noch keinem sagen werde. Die letzten Wochen habe ich viel über mich nachgedacht und nichts mehr geschrieben.
Es beschäftigt mich. Wieso denke und fühle ich nicht wie die anderen, wieso können sie mich nicht verstehen? Wieso müssen sie mich doof anmachen, wenn ich auf den Satz: "Hey, die hat ja eine Hand voll!" nicht reagiere? Mich interessieren die Brüste meiner Klassenkameradinnen nicht.
Ich weiß auch nicht, was mich an Jungs interessiert. Ein knackiger Arsch, eine männliche Brust? Ich weiß nicht. Sein Gesicht, seine Augen? Das viel mehr, aber, ich weiß nicht, ich kann so etwas nicht verallgemeinern. Es ist ein Gefühl. Ich lerne einen Jungen kennen und es macht klick - oder auch nicht. Wieso, weshalb, warum? Ich weiß es nicht. Es ist halt so. Gut, nicht dass ich mich schon in viele Jungs verliebt hätte. Ich bin fünfzehn. Ich habe noch nicht viel erlebt.
Das erste Mal hatte ich dieses besondere Gefühl einem Jungen gegenüber vor einem Jahr. Ich habe es nicht hier hinein geschrieben, das ganze Jahr nicht. Ich dachte: Wenn ich es aufschreibe, dann ist es so, dann kann ich nicht mehr "normal" sein. Dann bin ich es. Schwul! Ich bin es auch. Es ist jetzt okay für mich. Wirklich. Trotzdem sag ich es keinem.
Ich meine, es hätte eine Irrung-Wirrung sein können, war es allerdings nicht. Meine Empfindungen für ihn hielten ein ganzes Jahr. Bis vor drei Wochen. Wieso ich das so genau weiß? Ich weiß es nicht. Vielleicht war es schon früher, viel früher. Nur habe ich genau vor drei Wochen beschlossen, nicht mehr in ihn verliebt zu sein. Und zwei Tage später lernte ich Tom kennen.
Aber zurück zu dem davor. Er heißt Stefan. Kurze, dunkle Haare, rehbraune, wunderschöne Augen, ein absolut süßes Lächeln ... Stopp! Ich will ja schließlich nicht wieder anfangen, von ihm zu schwärmen. Wie merkte ich, dass ich in ihn verliebt war, liebes Tagebuch? Erst einmal gar nicht. Es war seltsam. Er kam aus Lahr und ich lernte ihn bei einem Tischtennisturnier kennen. Seine Schwester Christine fand mich toll und laberte mich an. Sie lud mich ein, sie zu besuchen. Und ich ging hin. Wir saßen in ihrem Zimmer. Stefan kam herein. Ich fragte ihn, ob wir manchmal zusammen trainieren könnten. Warum nicht? Ja, klar. Sie lud mich nochmals ein, machte sich an mich heran. Ich blockte aber ab. "Ist dein Bruder da?" fragte ich und besuchte ihn in seinem Zimmer.
Als ich daheim war, fragte ich mich immer wieder: "Sag mal, Jannis, warum verliebst du dich nicht in Christine? Wieso denkst du öfter an ihren Bruder als an sie?" Es befremdete mich damals, dieses Gefühl Stefan gegenüber. Wir trainierten miteinander und langsam dämmerte es mir: Ich war in ihn verliebt. Er war zwar kein Mädchen, für die ich am Anfang der Pubertät noch leise und schüchtern geschwärmt hatte, aber trotzdem war ich in ihn verliebt. In ihn. In einen Jungen. In Stefan. Ich möchte nicht weiter darüber schreiben, liebes Tagebuch.
Es reicht zu erwähnen, dass er mir ständig von "geilen Tussis" erzählte, und das trotz meiner dicken Andeutungen. Er wollte es nicht kapieren. Und er wollte auch nicht die Qualen begreifen, die er mir bereitete. Hätte er sonst ständig diese Frauengeschichten erzählt? Man hat es eben schwer, wenn man nicht "normal" ist.
Ich meine, es ist doch so: Ein Mädchen verliebt sich in einen Jungen, baggert ihn an. Wie viele Jungs würden sofort zugreifen, selbst wenn sie nicht in das Mädchen verliebt wären? Wie ist meine Chance? Ich verliebe mich in einen Jungen. Und? Fünf von hundert wären interessiert. Aber genau diese fünf habe ich noch nicht getroffen. Und Tom? Na ja, ich weiß nicht. Ich kenne ihn ja noch nicht so lange. Nun hoffe ich, dass er einer von diesen Fünfen ist, und - dass er genauso "unnormal" ist wie ich. Morgen sehe ich ihn wieder. Hoffe ich.
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