maandag 7 oktober 2013

Theodor Fontane -- 8 oktober 1874

Donnerstag d. 8. Oktob. Vierter Tag in Venedig.
[Emilie Fontanes Aufzeichnungen vom 8. Oktober]
Um 10 Uhr in den Dogen-Palast. Ein wunderbarer Bau. Die kurzen Säulen des Erdgeschosses, die phantastisch ornamentierten des I. Stockes, dann endlich der nur von sechs breiten gotischen Fenstern unterbrochene, in längliche Vierecke abgeteilte Riesen-Marmorwürfel, der von den Säulengängen des Erdgeschosses und I. Stockes getragen wird, wirken zauberhaft. Es erinnert an Bilder, auf denen Luftgestalten irgend etwas Schweres und Massiges, einen prächtigen Sarkophag, einen Reliquienschrein oder einen Tempel tragen. Der Eingang ist von der Piazetta aus. Man steigt die Scala dei Giganti hinan und ist nun auf der Galerie, deren Säulen den ersten Stock umziehn. Zwei dieser Säulen sind rot. Von dieser Stelle aus wurden die Todesurteile verkündet oder vielleicht auch nur angekündigt, daß sie vollzogen seien. Geht man bis an das Ende der Galerie, so hat man einen prächtigen Blick auf das Wasser und San Giorgio Maggiore.

Von dieser Galerie des ersten Stockes aus führen zwei Treppen in das Innere des Palastes hinein. Die erste dieser beiden Treppen ist die Scala d'oro. An ihr vorbei, weil sie geschlossen ist, steigt man weiterhin eine zweite, mit der Scala d'oro parallel laufende Treppe hinan, deren Namen ich vergessen habe.

Ist man diese Treppe halb hinauf, so hat man, nach der einen Seite hin, das Archäologische Museum, nach der andern Seite hin den Saal des Großen Rates, an den der Saal der Wahlstimmen anschließt, neben sich. [...]

Desto interessanter [als die Ausstellungsstücke in einem höher gelegenen Stockwerk] sind die Räume selbst. Hier im Saal der Drei und der Zehn wurde die Geschichte Venedigs gemacht. Im Saal der Büchse (della Bussola) sieht man noch eine der Öffnungen, jetzt durch eine kleine Klapptür geschlossen, durch welche die geheimen Briefe geworfen, die Denunziationen gemacht wurden. Zugleich war es Vorzimmer, in das, auf diese oder jene heimliche Anzeige hin, die Bürger der Republik zitiert wurden, um vor dem Rat der Drei oder der Zehn Rede und Antwort zu stehn. Gelegentlich ließ man sie, ohne sie vorzulassen, drei-, viermal erscheinen und steigerte dadurch die bange Erwartung bis zur äußersten Todesfurcht. Sehr eigentümlich ist einer der Ausgänge aus diesem Salle della Bussola. Er gleicht einem schrägstehenden Eckschrank, der durch eine Scheidewand halbiert ist und dessen beide Türen offen stehn. Also etwa so [folgt eine Skizze Fontanes].

In unmittelbarer Nähe dieser drei unheimlichen Räume (die aber keineswegs den Eindruck des Unheimlichen machen), also des Saales der Bussola, der Drei und der Zehn, liegt auch ein schmaler kleiner Korridor und an demselben eine zugeriegelte kleine Tür, die die zu den Gefängnissen hinabführende Treppe schließt. Mit Hilfe dieser Treppe wurden die in den »Pozzis« gefangen Sitzenden von aller Welt unbemerkt vor den Rat der Drei oder Zehn geführt und empfingen ihr Urteil. Später befanden sich die Gefangenen seltener in den »Pozzis«, auch nicht in den »Bleikammern«, die nach oben zu, unterm Dach, dieselben Schrecknisse boten wie die Pozzis nach unten zu, in den Kellergewölben, sondern sie waren in dem verhältnismäßig neuen Gefängnisbau untergebracht, der sich, Newgate-artig, an der andern Seite jenes schmalen Kanals erhebt, der die Rückseite des Dogenpalastes begrenzt. Wurden die Gefangenen von diesem neuen Gefängnis aus vor ihre Richter geführt, so mußten sie nun die Seufzerbrücke, Ponte dei Sospiri, passieren, die den schmalen Kanal etwa in Höhe des zweiten Stockes überbrückt. Schaut man aus dem Fenster des Saales der »vier Türen« hinaus, so hat man die Seufzerbrücke, ein wenig nach rechts hin, dicht unter sich. Die ganze Lokalität: Bussola, Saal der Drei, der Korridor mit der verschlossenen Tür und die Seufzerbrücke, ruft sehr ähnliche Empfindungen wach wie Traitors Gate im Tower. Doch sind die Eindrücke im Tower stärker. Diesem Venezianischen haftet doch, bei hundert Vorzügen, die meist nach der Seite des Phantastischen und Schönheitlichen hin liegen, etwas relativ Kleines an. Man fühlt die Stadt statt des Staates heraus.

Aus dem Dogenpalast, nach 4stündigem Durchstöbern, in das Café Orientale an der Riva. – Um 4 Uhr mit Novilles und Schwechten (der am Abend vorher mit seinem Freunde, dem Bankier Königs, angelangt war) nach dem Lido. Hübsche Fahrt, hübscher Blick aufs Adriatische Meer; sonst eigentlich langweilig. Um 6 zurück. Von 6-7 Gondelfahrt auf dem Canal grande. Um 7½ ins Restaurant Bauer. Um 9 mit Novilles auf den Marcusplatz. Um 10 mit Schwechten »zu Biere«.


Theodor Fontane (1819-1898) was een Duitse schrijver. In 1874 hield hij tijdens een reis naar Italië een dagboek bij. Aus den Tagebüchern der Italienreise Oktober/November 1874

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