zondag 25 augustus 2013

Wilhelm Waiblinger -- 24 augustus 1821

Den 24. August. Wenn ich einem schönen, lieben Mädchen ins Auge sehe, überwallt's mich, wie ein Schauer vom Himmel. Alle Empfindung, die ganze schöne Seele spricht sich in dem Auge aus.
Beten! ei was! man soll nicht so viel beten! man soll wirken und arbeiten!

Die Liebe bedarf der Gegenliebe.

Nach dir, Maria, heben,
Schon tausend Herzen sich,
In diesem Schattenleben
Verlangten sie nur dich -
Sie hoffen zu genesen
Mit ahnungsvoller Lust -
Drückst du sie, heilig Wesen,
An deine treue Brust.

Launen schweben durch den Charakter hin, wie Wolken am Himmel vorüber: manchmal geben sie die reizendste Mannigfaltigkeit, und lenken den anschauenden Geist vom Unendlichen des blauen Luftmeers ab auf einzelne grotesk ins Auge fallende Streife und Gestalten, manchmal verdecken sie die Reinheit der Himmelsfarbe ganz, und er verschwindet vor dem Blick, dann aber wünscht man sehnlich wieder, die heitere Luft zu schauen: ein andermal hingegen ist er ganz rein, keine fremdartige Farbe stört die unendliche Einheit des Bildes, aber wenn er rein ist, ist er sich immer gleich. So sind die Launen bei mir, bei S*** sind sie allmählich so dicht geworden, daß sie das ganze Gewölbe des Himmels überziehen, bei jedem Windhauch sich wieder anders gestalten, und Farbe wechseln. Von dem ebenmäßigen Blau des reinen Himmels schaut man keine Spur, und weil Wolken nur, wie Launen, aus tausend zusammenfließenden Stoffen gesammelt sind, und darum nie ein festes Ganze darstellen, weil sie nicht selbstständig sich halten, so möcht' ich wohl behaupten, daß Sigel, wie eine Wolke, durch Zusammenfluß tausend fremdartiger Materien sich eine scheinbare Existenz gesammelt und eine Gestalt gebaut hat, aber jede Minute wechselt, oft ganz verschwindet, und darum - ohne Bild - keinen Charakter hat.

Man sollte von frühesten Jahren auf den Kindern eine mannigfaltige Reihe von Gemälden aus allen Schulen und Zeiten, von allen Meistern und über alle Gegenstände vorhalten, ihnen aber dabei 5 nie ein Urteil sagen, sondern zum höchsten bloß einiges Historische mitteilen. Da würde sich ihr Geschmack auf originale Weise bilden, sie würden am Ende von selbst Gutes und Schlechtes unterscheiden und das, was ihnen theoretisch mitgeteilt ward, höchst treffend und schicklich anwenden lernen, statt daß jetzt ein jeder, 10 solange er neue Gemälde erschaut, sich nur auf das besinnt, was ein anderer darüber gesagt. Dadurch würde man auch ein höheres Resultat für die Kunst gewinnen, weil dann nicht wie gewöhnlich aus Einem Urteil tausend andere unselbstständig entfließen würden, sondern jeder mit seiner individuellen Ansicht originell aufträte.

Unkraut, wie zu Korntal wächst, sollte man urplötzlich ausrotten, und kein Stäubchen mehr übrig lassen, denn schon ein solches ist so giftig wie eine Schlange; sehe man, welchen Sinn die Menschen für Christentum haben, daß sie diesen abscheulichen Heiden folgen mögen! Man denke sich diese Versammlung von Un- oder Halbmenschen und man hat das lebendigste Bild von hypochondrischer, murrköpfischer Abgeschmacktheit.


Wilhelm Waiblinger (1804-1830) was een Duitse dichter en schrijver. Tagebücher 1821-1826.

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