Den 3. Dezember.
Heute Nacht träumte mir von einem Weih. Ich schaute in einem Hause zum Fenster hinaus, im Hofe standen die Nachbarn mit ihren Kindern, da flog ein großer, wunderschöner Gabelweih über den Dächern einher. Er schwebte eigentlich nur, denn seine Flügel waren dicht geschlossen und er schien vor Hunger krank und matt, indem er immer tiefer sank und sich mit Mühe wieder erheben konnte, aber nie so hoch, als er vorher gesunken war. Die Nachbarn mit ihren Kindern schrien und lärmten und warfen ungeduldig die Mützen nach ihm, um ihn ganz herabzuwerfen. Er sah mich an und schien, sich auf und nieder bewegend, mir sich nähern zu wollen. Da lief ich schnell weg in die Küche, um etwas Speise für ihn zu holen. Ich fand mit Mühe etwas, und als ich hastig damit wieder am Fenster erschien, lag er schon tot am Boden in den Händen eines kleinen lausigen Jungen, welcher die prächtigen Schwungfedern ausrupfte und umherwarf und endlich ermüdet den Vogel auf einen Misthaufen schleuderte. Die Nachbarn, welche ihn endlich mit einem Steine herabgeworfen hatten, waren unterdessen auseinander- und an ihre Geschäfte gegangen. Dieser Traum machte mich sehr traurig; hingegen ward ich wieder sehr vergnügt, als ein junges Mädchen kam und mir einen großen Strauß Nelken zum Kaufe anbot. Ich wunderte mich sehr, daß es im Dezember noch Nelken gebe, und handelte mit dem Kinde; sie verlangte drei Schillinge. Ich hatte aber bloß zwei in der Tasche und war in großer Verlegenheit; ich verlangte, sie sollte mir für zwei Schillinge von den Blumen absondern, indem nur so viel in meinem Champagnerglas, in welchem ich die Blumen gewöhnlich aufbewahre, Platz hätten. Da sagte sie: »Lassen Sie mal sehen, sie gehen schon hinein.« Nun stellte sie eine Nelke nach der andern bedächtig in das schlanke glänzende Glas, ich sah ihr zu und empfand jenes Behagen und Wohlgefühl, welches immer in einen kömmt, wenn jemand vor unsern Augen eine leichte Arbeit still, ruhig und zierlich vollbringt. Als sie aber die letzte Nelke untergebracht hatte, wurde es mir wieder angst. Da sah mich das Mädchen freundlich und schlau an und sagte: »Sehen Sie nun? Es sind aber auch nicht so viel, wie ich geglaubt habe, und sie kosten nur zwei Schillinge.« Es waren indessen doch keine eigentlichen Nelken, aber von einem brennenden Rot und der Geruch war außerordentlich angenehm und nelkenhaft.
Gottfried Keller (1819-1890) was een Duitse schrijver. Zijn Das Tagebuch und das Traumbuch is te lezen bij Gutenberg.
Abonneren op:
Reacties posten (Atom)
Geen opmerkingen:
Een reactie posten