• Wilhelm Waiblinger (1804-1830) was een Duitse dichter en schrijver. Tagebücher 1821-1826. Tijdens een bergwandeling raakt Waiblinger zo bevangen door het landschap dat hij zijn metgezel Valerine probeert te kussen.
21. September 1821
[...] Und als das Brausen und Ungestüme
Wogen des aufgeregten Gemüts sich allmählich zur stillen Weh
mut und zur heiteren Ruhe des Gefühls verklärte, da schlang ich
meinen Arm um ihren Hals, und wir wandelten so, die seligsten
Sterblichen, im edelsten Bewußtsein unseres Glücks, dahin und wußten fast nicht, daß wir weiter kamen. Valerine hatte mich noch
nie geküßt, und ich glaubte, bei meiner Neigung zu ihr und bei
dem, was sie für mich fühlt, genugsam berechtigt zu sein, zumal
in einer solchen Stunde, wie die gegenwärtige, eine so milde Gabe
von ihr fordern und verlangen zu dürfen. Ich tats mit ängstlichem Herzen, und in allen meinen Zügen schien ein vorherrschender Zug
von Ernst und Selbstgefühl auf eine wunderliche Weise vorzuherrschen.
Valerine blickte mit unruhigem Auge zu mir herauf, und
wiederholte diese Blicke, ja, als ich immer mehr auf die Gewäh
rung meiner Bitte drang und sie sogar in die Arme schloß und mit brechendem Herzen darum bat, ward sie gänzlich verschüchtert
und schlug mir wiederholt meine Bitte ab. Ich war im Anfang nichts
weniger als bestürzt, sondern nur aufgemuntert, mein Flehen
kräftiger und dringender zu machen. Aber als alles dies nichts
half, und weder Blick, noch Worte, noch Händedruck, noch alle Vorstellungen nichts halfen, da fing's mir an ganz unheimlich
in der Seele zu kochen und zu pochen, und die Galle stieg mir
immer höher und unheilbrütender, je mehr sich ihr Wider
stand vergrößerte. »Sie sind ja so finster«, sagte sie endlich mit
leiser Stimme, »und ich so schüchtern!« Da durchzuckte es mich wieder von neuem, wie eine Flamme, ich fiel ihr fast weinend um
den Hals: »Valerine, nur einen Kuß!« - »O lassen Sie mich«, ant
wortete Valerine, »fordern Sie keinen Kuß, ich bin Ihnen ja gut
und von Herzen gewogen, nur fordern Sie keinen Kuß!« - »Und
Sie wollen mich nicht küssen, Valerine, Sie? verdien' ich das? belohnen Sie so?« Sie sah mich liebevoll an und sagte ängstlich:
»Fordern Sie keinen Kuß.« - »In Gottes Namen«, rief ich, wie
rasend, »so fahren Sie hin«, und ließ sie fahren, und taumelte weg,
daß mir die Sinne vergingen. Was je einmal gesondert und einzeln als Stolz, Selbstgefühl, als Hochmut und Trotz sich in mir äußerte
und zur Erscheinung kam, trat jetzt in mir hervor, und meine ohne
hin so unsinnige, oft fast kränkliche Einbildungskraft begann mir
ihrer Gewohnheit gemäß eine ganze Hölle von schauervollen Bil
dern hervorzurufen und vor das Auge zu stellen, was um so eher
anging, als mein Gemüt im Grunde eine ganz vorherrschende Nei
gung fürs Ernste, Düstere und oft Allzu-Grelle hat, und, einmal
darin verwickelt und verstrickt, durch anhaltendes Brüten und
durch fortwährende Bewegung nimmer im Stande ist, ohne fremde
Einwirkung sich glücklich abzureißen und herzustellen - Ich will
gewiß nicht so bald wieder meine Neigung einem Mädchen zuwen
den, die so eigensinnig, so kaltblütig, so undankbar, so fühllos ist,
und wie? waren denn alle jene Szenen, wo ihre Neigung so leb
haft hervorbrach, nur leeres Gaukelspiel erhitzter Phantasie oder
falsche trugvolle Blendung einer buhlerischen Dirne? Unter sol
chen Gedanken liefen wir immer neben einander her, ohne auch
nur ein Wort zu sprechen, nur daß sie dann und wann furchtsam
einen Blick auf mich warf, der aber, im rechten Licht, nichts Son
derliches sagte. [...]
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